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19. Stiftungsrechtstag

Stiftungsrechtstag

Nachbetrachtung
19. Stiftungsrechtstag "Neuerungen im Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht"
14. Februar 2025, von 9.00 - 17.00 Uhr (als Hybrid-Veranstaltung)

Tagungsmaterialien

  • Die Tagungsmaterialien zum 19. Stiftungsrechtstag finden Sie unter diesem Link (Copyright liegt bei dem jeweiligen Referenten)
  • Die Programmübersicht finden Sie in diesem Flyer
Weitere Beiträge über unseren Stiftungsrechtstag

  • Medial begleitet wurde die Veranstaltung von Tobias Karow von stiftungsmarktplatz.eu, der mit einem Nachbericht seine Eindrücke festgehalten hat.
Zu den einzelnen Vorträgen

Mit dem 19. Bochumer Stiftungsrechtstag fand am 14.2.2025 eine traditionsreiche Veranstaltung in den Räumlichkeiten der Ruhr-Universität Bochum statt. Die bereits zum dritten Mal in hybrider Form durchgeführte Tagung lockte auf Einladung von Fundare e.V. sowie dem Lehrstuhl von Prof. Dr. Katharina Uffmann wieder über 200 Teilnehmer aus Wissenschaft und Praxis. Unter dem Globalthema „Neuerungen im Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht“ wurde die in diesem Jahr anstehende Evaluierung des vor fast zwei Jahren in Kraft getretenen neuen Stiftungsrechts zum Anlass genommen, Bilanz zu ziehen. Neben den ausführlichen Vorträgen und Kurzreferaten bot der Stiftungsrechtstag auch in diesem Jahr Raum für anregende inhaltliche Gespräche in den Diskussionsrunden und Pausen.

Die Veranstaltung wurde eröffnet von Prof. Dr. Dr. h. c. Susanne Kalss, LL. M. von der Wirtschaftsuniversität Wien. In ihrem Vortrag „Die österreichische Privatstiftung – ein Gegenmodell zur deutschen Stiftung“ präsentierte sie die Rechtsform der Privatstiftung nach österreichischem Recht, die Entwicklung der Unternehmenspraxis und Rechtsprechung. Kalss begann mit einer Darstellung des Rechtssystems und der Gestaltungsmöglichkeiten, die diese Rechtsform für die Nachfolge in Familienunternehmen interessant machen. So biete die Privatstiftung einen eigenständigen, dauerhaften Rechtsträger, der die Teilungsgefahr ausschließe, bei dem es aber trotzdem möglich sei, Einflussrechte und wirtschaftliche Berechtigungen zu übertragen. Im Anschluss wurde aktuelle Rechtsprechung im Stiftungsrecht, etwa zur Unübertragbarkeit der Stellung des Stifters, zu Treuepflichten bei Stiftermehrheiten und zu den Gestaltungsmöglichkeiten von Stifterrechten erläutert. Kalss erläuterte anschließend, warum die Notwendigkeit einer Änderung der Stiftungserklärung durch den Vorstand zunehme, aber durch den Stiftungszweck begrenzt sei. Die grundsätzlich weisungsfreien Vorstände könnten nur aus wichtigem Grund abberufen werden, etwa bei Interessenkonflikten oder Pflichtverletzungen, die den Stiftungszweck oder die Funktion der Stiftung gefährden. Sie seien in ihrer Vertretungsmacht nur bei deren Missbrauch begrenzt. Zudem habe die Rechtsprechung die bereits in der Literatur anerkannte Business Judgement Rule nun auch für den Stiftungsvorstand angenommen. Die Kontrolle des Stiftungsvorstands übernehme in der Privatstiftung häufig ein Beirat, der aufsichtsratsähnliche Befugnisse ausübt. Überdies werden der Jahresabschluss, die Einhaltung des Stiftungszwecks und einige Grundlagengeschäfte von einem gerichtlich bestellten Stiftungsprüfer überwacht. Kalss schloss mit dem Ergebnis, dass die Privatstiftung wirtschaftlich Fuß gefasst habe. Um die Privatstiftung flexibel zu erhalten und einer Versteinerung vorzubeugen, dürfe man nicht auf eine gesetzliche Anpassung vertrauen, sondern müsse durch die Gestaltung der Stiftungserklärung Einfluss nehmen.

Im Anschluss an den Eröffnungsvortrag präsentierte Prof. Dr. Karlheinz Muscheler von der Ruhr-Universität Bochum und Vorstandsmitglied des Veranstalters Fundare e.V. in seinem Vortrag „Die Haftung der Stiftungsorgane“. Nach einer Darstellung der gegenläufigen Interessen bezüglich der dortigen Haftungsfragen gab Muscheler einen kurzen Überblick über das Haftungssystem der Stiftung. Davon ausgehend wurden zunächst die Fälle erörtert, in denen ausnahmsweise im Außenverhältnis gegenüber Dritten nicht die Stiftung als juristische Person, sondern das Organmitglied haftet. Zum Thema Satzungsbestimmungen betreffend die Haftung im Innenverhältnis wurden einerseits Haftungsbeschränkungen thematisiert. Dass die gesetzliche Konzeption des § 84a Abs. 2 S. 3 BGB es vorsieht, dass die Haftung hier nicht nur im Errichtungszustand beschränkt werden kann, sah Muscheler als schweren Fehler an, wodurch eine Vielzahl von Problemen entstünden. Im Zusammenhang mit der Frage, ob der Stifter in der Errichtungssatzung die Haftung verschärfen kann, wurde unter anderem bejaht, dass eine Abbedingung der Business Judgement Rule möglich sei. Die Business Judgement Rule wurde sodann insgesamt ausführlich behandelt. Auch dessen Einführung sah Muscheler als rechtspolitischen Fehler an, weshalb § 84a Abs. 2 S. 2 BGB so eng wie möglich auszulegen sei. Vor diesem Hintergrund wurden die Voraussetzungen der Business Judgement Rule betrachtet. Ebenfalls trug Muscheler zur Beweislast bei der Business Judgement Rule vor und warf die Frage auf, inwiefern § 84 Abs. 2 S. 2 BGB auch eine Legal Judgement Rule enthalte. Daraufhin wurde die Frage behandelt, ob die Entlastung durch die Stiftungsaufsicht oder ein stiftungsinternes Kontrollorgan zum Entfall von bereits entstandenen Schadensersatzansprüchen führen könne. Den Abschluss machten Ausführungen zur Haftung des ehrenamtlichen Stiftungsorgans. Dabei ging Muscheler insbesondere auf Konstellationen der Mehrheit von Schädigern der Stiftung ein, bei denen eine Person haftungsprivilegiert und/oder die andere Person ein außenstehender Dritter ist.

Danach hielt Prof. Dr. Bernd Andrick, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen a.D. und Vorstand des Veranstalters Fundare e.V. den Vortrag „Die Entwicklung der Landesstiftungsgesetze – Obrigkeit und Stiftungsautonomie“, in dem er über die Rechtsquellen und die historische Entwicklung des Stiftungsrechts referierte. Ausgangspunkt bildete die Darstellung des Nebeneinanders von öffentlichem Recht und Zivilrecht im Stiftungsrecht. So ging Andrick der Frage nach, weshalb trotz dieser Trennung Verwaltungsakte wie die Anerkennung oder die Aufhebung der Stiftung im BGB geregelt sind. Anschließend wurde ein Überblick über die drei Generationen von Landesstiftungsgesetzen gegeben. Die erste Generation machten demnach die Landesstiftungsgesetze aus, die ab 1955 die Ausführungsgesetze ablösten. Die zweite Generation von Landesstiftungsgesetzen seien in Folge des „Gesetzes zur Modernisierung des Stiftungsrechts“ ab 2002 erlassen worden, während die dritte Generation der Landesstiftungsgesetze im Zuge des „Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts“ ab 2023 folgte. Insbesondere ging Andrick auf die Besonderheiten der jeweiligen Landesstiftungsgesetze aus den jeweiligen Generationen ein. Über die Generationen von Gesetzen sei ein Trend in Richtung Stiftungsautonomie auszumachen. Eine Abstimmung der Länder untereinander habe jedoch im Rahmen der jeweiligen Novellierungen nicht stattgefunden, sodass es nach wie vor ein Nebeneinander vieler unterschiedlicher, teilweise bedenklicher Regelungen gebe. Schließlich wies Andrick noch darauf hin, dass die entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen durch das bundesweite Stiftungsregister obsolet werden. Auch hinsichtlich der Ablösung gingen die Landesgesetzgeber in zeitlicher Hinsicht unterschiedlich vor.

Im Anschluss an die Mittagspause trug Dr. Christian Hörstrup, Justitiar des Bistums Münster, über „Aktuelle Probleme aus Sicht der kirchlichen Stiftungsaufsicht“ vor. Der Fokus lag hier auf den Auswirkungen der Stiftungsreform auf das kirchliche Stiftungsrecht. Nach einer Einführung in die Grundlagen des Rechts der kirchlichen Stiftungen wurde der Blick auf die Regelungen der kirchlichen Stiftungsaufsicht gelegt, welche die Kirchen gemäß § 23 Abs. 3 S. 3 Hs. 2 StiftG NRW in eigener Verantwortlichkeit treffen können. So haben sich im Rahmen der jüngsten Stiftungsreform evangelische und katholische Stiftungsaufsichten zusammengefunden und in Nordrhein-Westfalen den Rahmenentwurf für ein gemeinsames Stiftungsverständnis erarbeitet. Darin werde vieles aus dem staatlichen Stiftungsaufsichtsrecht gespiegelt, an anderen Stellen aber auch umfassendere Aufsichtsbefugnisse zugunsten der kirchlichen Stiftungsaufsicht eingeräumt. Sodann kam Hörstrup auf die Probleme zu sprechen, die sich beim Zusammentreffen des bundesweiten Stiftungsregisters auf das kirchliche Stiftungsrecht ergeben. Exemplarisch sei an dieser Stelle nur die Abwesenheit des Merkmals der Kirchlichkeit in den eintragungspflichtigen Tatsachen sowie die nicht zwangsläufige Beteiligung kirchlicher Stiftungsbehörden im Eintragungs- oder Löschungsverfahren gemäß § 10 Abs. 2 StiftRG. Insbesondere letzterer Punkt werfe Fragen betreffend die Vereinbarkeit mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht auf. Um das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ging es auch in einem Fall aus der Praxis, den Hörstrup zum Abschluss vortrug. Hier wurde der Blick auf die Auswirkungen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts auf eine Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung gelenkt.

Anschließend widmete sich Dr. Christian Kirchhain, LL. M., Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater bei Flick Gocke Schaumburg, dem Thema „Stereoskopische Projektgestaltung – Tatsächliche oder vermeintliche Spannungsfelder zwischen Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht“. Der Vortrag eröffnete mit einem Hinweis auf die unterschiedlichen Regelungsregime des Stiftungsrechts und Gemeinnützigkeitsrechts sowie die sich daraus ergebende unterschiedliche Terminologie. Als erstes Spannungsfeld zwischen Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht machte Kirchhain sodann die Gestaltung der Stiftungssatzung aus. So müsse etwa die Art und Weise der Zweckerfüllung nach stiftungsrechtlichen Vorgaben nicht zwingend angegeben werden, gemeinnützlichkeitsrechtlich hingegen gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 AO schon. Nach Ausführungen über die Mustersatzung und den Stiftungszweck in beiden Regelungsregimen kam Kirchhain auf das praxisrelevante Verhältnis der Kapitalerhaltung zur Mittelverwendung zu sprechen. Hier ginge das Steuerrecht dem Stiftungsrecht vor, sodass Mittelverwendung der Grundsatz und Vermögensbildung eine begründungspflichtige Ausnahme darstelle. Des Weiteren wurde der Umgang mit der Umschichtung von Stiftungsvermögen und die handelsrechtliche Bilanzierung im Vergleich zur Mittelverwendungsrechnung besprochen. Betreffend die Reaktion auf Verluste aus mittelbeschaffenden Tätigkeiten begrüßte Kirchhain, dass das Stiftungsrecht hier mit einer ex ante-Betrachtung, verkörpert in der Business Judgement Rule gemäß § 84a Abs. 2 S. 2 BGB, fortschrittlich sei. Dies stehe im Kontrast zum Gemeinnützigkeitsrecht, wonach eine ex post-Betrachtung gemäß der Grundidee des Ausgleichs bereits entstandener Verluste vorgenommen werden würde. Weiterhin wurden Fragen im Zusammenhang mit dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung erläutert. Schließlich wendete sich Kirchhain den Zuwendungen zu satzungsfremden Zwecken sowie den Stiftungskonzernen zu. Bezüglich letzterer widersprach Kirchhain der Auffassung einiger Stiftungsbehörden, dass das Halten und Verwalten von Beteiligungen an gemeinnützigen Kapitalgesellschaften mit mindestens einem identischen Zweck, was gemäß § 57 Abs. 4 AO gemeinnützig ist, gegen das Verbot der Selbstzweckstiftung verstoße.

Abschließend gab Prof. Dr. Sebastian Unger von der Ruhr-Universität Bochum und Vorstandsmitglied des Veranstalters Fundare e.V. einen Überblick über „Aktuelle Entwicklungen im Gemeinnützigkeitsrecht“. Der Vortrag startete mit einem Überblick über die Entwicklungen in Gesetzgebung und Verwaltung. Unger griff den durch das Wachstumschancengesetz geänderten § 50 Abs. 1 EStDV heraus, wodurch eine Pflicht zur Eintragung in das Zuwendungsempfängerregister und Ausstellung einer Zuwendungsbestätigung auch für ausländische Zuwendungsempfänger eingefügt worden war, welche dem Zuwendenden Vertrauensschutz gewährt, in ihrer konkreten Ausgestaltung aber unionsrechtswidrig sei. Sodann wurde der durch das vierte Bürokratieentlastungsgesetz eingefügte § 53 Nr. 3 AO und dessen Regelungen zur Mildtätigkeit bei der Katastrophenhilfe vorgestellt. Aus dem Jahressteuergesetz 2024 wurde insbesondere § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 27 AO besprochen, der die Wohngemeinnützigkeit einführt. Anschließend präsentierte Unger drei Urteile[1], die sich mit der Satzungsmäßigkeit beschäftigten sowie zwei Urteile[2] zu § 57 Abs. 3 AO. Zum Abschluss wurde ein Urteil[3] zur Zulässigkeit politischer Betätigung als Mittel zur Verwirklichung eines steuerbegünstigten Satzungszwecks diskutiert.

Prof. Dr. Stefan Stolte, Vorstandsmitglied von Fundare e.V., fasste die Ergebnisse der Tagung zusammen und verabschiedete Teilnehmer und Referenten, verbunden mit der Einladung zum 20. Bochumer Stiftungsrechtstag, der am 27.2.2026 erneut als Hybrid-Veranstaltung stattfinden wird.

Felix Klocke, Ruhr-Universität Bochum


[1] FG Niedersachsen, 25.4.2024 - 10 K 70/21, EFG 2024, 1725 (Rev. BFH: V R 10/24); FG Münster, 25.10.2023 – 13 K 2542/20 K, F, EFG 2024, 352; FG Sachsen-Anhalt, 25.10.2023 – 3 K 483/17 (Rev. BFH V R 27/23).

[2] FG Hamburg, 26.9.2023 – 5 K 11/23, EFG 2023, 1741 (Rev. BFH V R 22/23); FG Niedersachen, 21.9.2023, – 6 K 335/21 (Rev. BFH V R 23/23).

[3] FG Berlin-Brandenburg, 14.11.2023 – 8 K 8198/22, EFG 2024, 529 (Rev. BFH V R 28/23).

Veranstalter

Fundare e.V., Gemeinnütziger Verein zur Förderung des Stiftungswesens 

vertreten durch den Vorstand Vors. Richter am VG a.D. RA Prof. Dr. Bernd Andrick, RA Dr. Matthias Gantenbrink, RA & Notar a.D. Axel Janitzki, RAin/StBin Judith Mehren, Prof. Dr. Karlheinz Muscheler, RA & Notar Dr. Markus Schewe, RA Prof. Dr. Stefan Stolte, RR Dr. Sebastian Trappe, Prof. Dr. Katharina Uffmann, Prof. Dr. Sebastian Unger

in Kooperation mit dem Lehrstuhl von Prof. Dr. Katharina Uffmann.